SpielGuide 3: So kannst du den Tastsinn trainieren

So trainierst du den Tastsinn deines Kindes
24. März 2022

SpielGuide 3: So könnt ihr den Tastsinn (die taktile Wahrnehmung) zuhause trainieren

Der Tastsinn wird auch als taktile Wahrnehmung bezeichnet und ist einer der wichtigsten Sinne deines Kindes. Gemeinsam mit dem Gleichgewichtssinn (der für die Balance, die Körperhaltung und die Orientierung im Raum wichtig ist) und der Tiefensensibilität (auch propriozeptive Wahrnehmung oder Propriozeption genannt - diese ist für die Empfindung von Haltung, Lage und Bewegung des Körpers im Raum zuständig) hilft dieser Sinn unserem Körper, sich in seiner unmittelbaren Umgebung zurechtzufinden.

Der Tastsinn hat eine überraschend große Bedeutung für das kindliche Wohlbefinden und dessen Bedeutung und Wirken geht weit über das Empfinden von Eigenschaften wie glatt, weich, hart, kalt oder warm hinaus. Für den dritten SpielGuide der ToyAcademy haben wir Mette D. Jensen interviewt, die eine sensomotorische Beratungsstelle betreibt. Wir haben sie gefragt, was der Tastsinn eigentlich ist und warum er für die Entwicklung und das Wohlergehen unserer Kinder wichtig ist.

Mette gibt uns hier auch Tipps, wie wir die taktile Wahrnehmung mithilfe von Aktivitäten und Spielen anregen und stärken können.

Mutter und KindMutter und Kind

Was ist der Tastsinn - und warum ist er wichtig? 

Dank unseres Tastsinns, unserer taktilen Wahrnehmung, registrieren wir Eindrücke unserer Umgebung mit unserer Haut. In unserem Alltag mit Kindern wird der Tastsinn aktiviert: wenn wir unsere Kinder umarmen, sie anziehen und ihnen die Wangen küssen, wenn wir ihnen die Strümpfe anziehen oder sie kitzeln, bis sie vor lauter Lachen kaum mehr Luft bekommen. Kurz gesagt: Berührung jeglicher Art weckt unsere taktile Wahrnehmung. Gerade, wenn es um Kinder geht, spielt Körperkontakt eine große Rolle.

Dank seines Tastsinns weiß dein Kind, wo es selbst aufhört und wo seine Umgebung beginnt.

Der Tastsinn beeinflusst auch unsere Gefühle

Durch den Tastsinn werden die Eindrücke oder Reize, mit denen unsere Haut  in Berührung kommt, mithilfe von Nervenfasern an unser Gehirn weitergesendet. Das Gehirn ordnet diesen Reiz dann als angenehm oder unangenehm ein. Ob wir gerade umarmt oder gekitzelt werden, ob jemand unser Gesicht anpustet oder ob wir Kälte oder Wärme wahrnehmen, wird also von unserem Gehirn kategorisiert und bewertet.

Die Expertin für Sensomotorik Mette D. Jensen erzählt uns: “Der Tastsinn ist eine Mischung aus äußeren und inneren Gefühlen. Man hat ein äußeres Gefühl, etwas, das mit allem zu tun haben kann, was die Haut registriert. Dadurch werden neue Eindrücke und Informationen untersucht und eingeordnet. Und es gibt auch diesen beschützenden Aspekt des Tastsinns, der uns dazu bewegt, uns wegzubewegen, zu verteidigen oder zurückzuschlagen, falls sich etwas wie eine Bedrohung anfühlt. Wenn unser äußerlicher Tastsinn überreagiert, kann sich schon eine Umarmung oder eine kratzige Haube unangenehm anfühlen und wird instinktiv als etwas Bedrohliches von unserem Gehirn eingeordnet.” 

Bei der Wahrnehmungsverarbeitung mancher Kinder kann es also passieren, dass der Tastsinn überreagiert. Das bedeutet, dass jeder kleine Reiz und jede kleine Berührung das Nervensystem in Alarmbereitschaft versetzen kann. 

Junge vor blauem HintergrundJunge vor blauem Hintergrund

Wenn der Tastsinn nicht in Balance ist, kann es leichter zu Ausrastern kommen

Der Tastsinn ist entscheidend, wie dein Kind auf andere Menschen reagiert. Wenn das Gehirn deines Kindes viele Reize und Eindrücke als bedrohlich oder unbehaglich einordnet, reagiert es vielleicht mit Rückzug, Schubsen oder sogar Hauen.

Mette D. Jepsen sagt dazu: “Unser Tastsinn wirkt sich auf unsere sozialen Beziehungen und unsere Kommunikation aus. Wir kommunizieren und reagieren ja mit unserem Körper. Kinder mit einer unausgeglichenen taktilen Wahrnehmung sind oft sehr frustriert - und das sind auch ihre Eltern oft.”

Ein taktil herausgefordertes Kind kann beispielsweise sehr stark auf eine Berührung in einem Spiel reagieren. Stell dir vor, wie es sein muss, wenn dein gesamter Körper zu schreien scheint: DA KOMMT EIN GEFÄHRLICHER LÖWE - und das jedes Mal, wenn einer von der Kitagruppe dich schubst oder Mama dir die Nase putzt.

Dein Kind versucht einfach, sich gegen dieses unangenehme Gefühl zu wehren, wenn es schubst. Leider kann ein gestörter oder unausgeglichener Tastsinn oft dazu führen, dass ein Kind als jähzornig, ungezogen oder übersensibel wahrgenommen wird. Aber das muss nicht der Fall sein.

Es gibt immer eine Begründung für aggressives Verhalten bei Kindern - und die Erklärung ist nie, weil sie böse oder ungezogen sind.

Das Gehirn interpretiert in diesen Fällen einfach die erhaltenen Reize falsch. Es versucht, den Körper vor einem unangenehmen Gefühl zu schützen. Und da ist oft der Tastsinn mit im Spiel.

Durch Training kann man den Tastsinn jedoch positiv beeinflussen und gut ausbalancieren. Dadurch erhält das Gehirn dann öfter die richtigen Signale und schlägt nicht jedes Mal Alarm.

 

Zwei Jungen streiten sichZwei Jungen streiten sich

SpielGuide 3: So kannst du den Tastsinn ins Gleichgewicht bringen

Kinder mit einem unausgeglichenen Tastsinn leiden außerdem öfter unter großen Gefühlsschwankungen und reagieren schneller mit Irritation als andere Kinder. Und das ist ja nicht so verwunderlich, wenn man daran denkt, wie ermüdend es sein muss, wenn man mehr oder weniger ständig in Alarmbereitschaft ist. 

Glücklicherweise haben wir einen gewissen Einfluss auf unseren Tastsinn. Verschiedene Berührungen des Körpers können zu einer besseren Balance beitragen - etwas, das eine Herausforderung darstellen kann, weil manche Kinder gerade Berührungen eher scheuen oder als unangenehm empfinden. Falls dein Kind Umarmungen gerne ausweicht und Etiketten in der Kleidung zu Frustration führen, liegt es nahe, dass man die Umarmungen kurz hält und die Etiketten einfach immer rausschneidet. Auch dies ist eine Form der elterlichen Fürsorge.

Mädchen schaut in KameraMädchen schaut in Kamera

Wenn du dir der taktilen Herausforderungen bewusst geworden bist, kann man, so die Erfahrung von Sensomotorik-Beraterin Mette, innerhalb weniger Wochen das Wohlbefinden des betroffenen Kindes mithilfe der folgenden Tipps um einiges erhöhen:

  • Finde heraus, welche Berührungen ein angenehmes Erlebnis für dein Kind darstellen und wie ihr sie in euren Alltag integrieren könnt. Das kannst du mit kleinen Schritten angehen: vielleicht knetest du einmal die Füße deines Kindes, klopfst ihm den Rücken oder berührst das Gesicht zart mit einer Feder. Falls dein Kind eine Massage mit Händen als unangenehm empfindet, könnt ihr es auch mit Massagebällen versuchen.

 Die Spieltante Kristina fügt hinzu: Ihr könnt auch diese vibrierenden Figuren verwenden, die deinem Kind angenehme sensorische Reize vermitteln können - sei dir jedoch immer                 bewusst, dass es anfangs am besten ist, klein zu beginnen, da es sonst für dein Kind überwältigend sein kann.

  • Probiert verschiedene taktile Reize aus. Mache “Pupsgeräusche” auf dem Kinderbauch, wenn es in der Wanne sitzt, verwende verschiedene Waschlappen, spritze mit einer Einwegspritze aus der Apotheke sanft Wasser auf den Rücken oder holt euch anregendes Badespielzeug ins Badezimmer.
  • Spielt mit Sand, den ihr vom Strand mitgenommen habt. Sand fühlt sich wunderbar zwischen den Fingern und den Zehen an. Alternativ könnt ihr es auch mit kinetischem Spielsand versuchen. Du wirst überrascht sein, wie angenehm es sich anfühlt, wenn die Sandkörner aneinander kleben, anstatt an deinen Fingern.
Kind spielt mit SandKind spielt mit Sand

Beginne mit einem ruhigen Spiel, das den Tastsinn anregt

Du gehst das Ganze am besten in einem ruhigen und entspannten Tempo an und findest so heraus, welche Berührungen dein Kind nicht überfordern. Sensomotorik sollte immer etwas Feines und Angenehmes sein. Sollte dein Kind negativ reagieren, hört am besten gleich auf und macht etwas anderes stattdessen. Kleine Schritte ermöglichen, dass ihr euch schrittweise vortasten könnt und niemand überfordert wird. Denn so können wir unsere Kinder in ihrer Entwicklung und ihrem Wohlbefinden gut unterstützen.

Wir hoffen, dass du von unserem SpielGuide inspiriert wurdest und Lust bekommen hast, den Tastsinn anzuregen. Wenn du noch mehr Tipps brauchen könntest oder Fragen hast, zögere nicht, in unserer großen Auswahl an Spielzeug für den Tastsinn oder unserer Auswahl für sensomotorisches Spielen zu stöbern. Wenn du Lust hast, dich mehr über das Thema Sensomotorik zu informieren, dann kannst du hier weiterlesen.

Danke fürs Mitlesen! Vielleicht hast du Lust, auch in unsere anderen SpielGuides reinzulesen?

Kind mit Augenbinde trainiert den TastsinnKind mit Augenbinde trainiert den Tastsinn
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